Interview mit Dr.in Anja Schulze (Mentorin in MeCoSa 2021)

Das Interview fand am 29. November 2021 statt. Interviewerin war Jana Haselhorst.

 

I: Du hast dich für eine unserer Mentees zur Verfügung gestellt. Wie kam es dazu?

A: Ich wurde über eine E-Mail kontaktiert. Die Kandidatin hatte sich in der E-Mail kurz vorgestellt und beschrieben, in welchem Bereich sie promoviert und dass sie an diesem Programm teilnimmt. Bei ihrer Internet-Recherche nach Mentorinnen, die an einer außeruniversitären Einrichtung beschäftigt sind und in themenverwandten Bereichen forschen, ist sie auf mich gestoßen. Sie hatte schon ihren Fokus auf das Fraunhofer-Institut gelegt und hatte mich dann angeschrieben. Auch, weil wir in derselben Stadt arbeiten. Ich fand das nett und angenehm und war positiv überrascht. Ich habe dann auch relativ schnell die Zusage geschickt beziehungsweise bestätigt, dass wir uns erstmal kennenlernen können und schauen, ob die Chemie passt. Danach waren wir uns einig, dass wir die Treffen im Rahmen des Mentoring-Programms fortführen möchten.

 

I: Wie hast du das empfunden, als du kontaktiert wurdest?

A: Ja, ich war, wie gesagt, positiv überrascht. Ich kannte das Programm vorher nicht, nur das Mentoring-Programm vom Fraunhofer-Institut. Ich habe es nur nebenbei mal gelesen, dass es das gibt.

Bei uns gibt es eine Verpflichtung für die Doktorand*innen, sich einen Mentor oder eine Mentorin zu suchen und sich dann einmal im Jahr zu treffen. Das wird auch protokollarisch festgehalten. Aber ich selber hatte damit noch keine Berührungspunkte und habe mich daher auch über die Anfrage meiner Mentee gefreut und habe gedacht – ja, warum nicht. Es ist gerade in diesem Schritt der Karriere eine wichtige Entscheidung, sich jemanden zu suchen, der Beratung liefern kann.

 

I: Als ihr euch dann persönlich kennengelernt habt, was habt ihr dann für Vereinbarungen getroffen? Also wie fand das Mentoring statt?

A: Also wir haben erst mal besprochen, wie oft wir uns treffen wollen. Einmal im Monat hatten wir festgelegt. Flexibel gestaltet, kann mal mehr mal weniger sein, je nachdem wie der Bedarf ist. Dann hatten wir ein grobes Themenpaket besprochen. Da hatte ich mich dann nach der Mentee gerichtet - welche Themen ihr wichtig sind, was sie sich von diesem Mentoring verspricht, was sie von mir erwartet. Da hatte sie auch ganz klar gesagt, dass es ihr nicht um eine parallele wissenschaftliche Betreuung geht, sondern um Karrieremanagement, um Work-Life-Balance, um Fördermöglichkeiten, Workshops und Weiterbildungsmöglichkeiten. Und es ging auch darum, eine Perspektive aus der langjährigen Erfahrung eines Postdocs zu bekommen. Wie sich das dann eben während der Promotion entwickelt und darüber hinaus. Sie wollte auch eine Karriereberatung, in der es darum ging, in welche Richtung sie einschlagen soll, wenn sie sich schon dafür entschieden hat, nicht in der universitären Forschung zu bleiben, sondern eher in die industrielle Forschung zu gehen. Eine Lehrtätigkeit konnte sie sich in der Zukunft nicht vorstellen. Daraufhin habe ich ihr dann noch Pro und Contra gegeben, warum sie sich vielleicht noch nicht so ganz strikt festlegen soll und dass man sich alles offenhalten sollte. Man weiß nie, wohin die Karriere einen führen wird.

Zudem weiß man nicht, wie das Stellenangebot zu der Zeit ist. Ich bin ja zum Beispiel auch an die Region gebunden, was die Stellenauswahl stark einschränkt.

 

I: Hattest du selbst einmal eine Mentorin oder einen Mentor?

A: Nicht offiziell. Die Gespräche mit meiner Mentee haben mich auch viel zum Nachdenken angeregt - über meine wissenschaftliche Karriere und meinen Lebenslauf. Eine Art Mentoring hatte ich durch meinen Mann, der mich immer in meinen Entscheidungen unterstützt oder beraten hat. Mit ihm habe ich mich sehr intensiv ausgetauscht. Er hat selbst zehn Jahre beim Fraunhofer-Institut gearbeitet und weiß, wie das System und die administrativen Prozesse laufen. Und zum anderen kann ich sagen, dass mein Chef auch eine Art Mentor ist. Damals, in der Diplom- und Promotionszeit, gab es so etwas nicht.

 

I: Das ist manchmal nicht so einfach. Und könntest du dir vorstellen dich auch immer wieder als Mentorin zu Verfügung zu stellen?

A: Ja, durchaus, weil ich das als sinnvoll erachte, wenn jemand einen an die Hand nimmt und in die richtige Richtung leitet. Es gibt viel Potenzial bei den Nachwuchswissenschaftlerinnen.

 

I: Konntest du etwas für dich als Mentorin mitnehmen?

A: Auf jeden Fall habe ich von dieser Mentoring-Beziehung auch profitiert. Zum einen, weil es einem das Gefühl gibt etwas Gutes getan zu haben, wenn man sein Wissen und seine Erfahrungen teilt und zum anderen habe ich selbst auch neues Wissen aus den besprochenen Themenkomplexen vertieft oder aufgefrischt. Zum Beispiel hatte ich einen internen Vortrag vom Fraunhofer zum Thema Work-Life-Balance gefunden, in dem dargestellt war, wie man eine ideale Work-Life-Balance erarbeiten kann und worauf es ankommt. Das, was man auch bei sich ein bisschen vernachlässigt, wenn man in seinem Alltag ist. Wir haben über die Schwerpunkte gesprochen, dass man auch mal Nein sagen kann, dass man lernt sich durchzusetzen. Das war für meine Mentee auch ein wichtiges Thema.

Wir haben ihre Stärken, Schwächen erarbeitet, wie bei einem Bewerbungsgespräch. Ich habe sie ein bisschen bestärkt, dass sie ihrem Vorgesetzten oder ihrer Vorgesetzten gegenüber Nein sagen darf. Wir haben auch das Thema Bewerbung durchgesprochen und Beispielanschreiben fertiggestellt. Und wir haben darüber geredet, worauf es bei Bewerbungsgesprächen ankommt und welche typischen Fragen gestellt werden. Wir haben im Vorhinein immer festgelegt, über welches Thema wir sprechen wollen. Deshalb habe ich auf jeden Fall viel bei der Mentorenschaft gelernt, indem ich mich auch auf die Treffen immer vorbereitet habe. Die Gespräche regen natürlich auch zum Nachdenken über seinen eigenen beruflichen Lebensweg an und bewirkten auch bei mir eine Art Bestandsaufnahme meiner Fähigkeiten, Gewohnheiten und Ziele.

 

I: Welchen Rat würdest du Frauen geben, die eine Karriere in der Wissenschaft bzw. Wirtschaft anstreben?

A: Selbstbewusst zu sein, sich etwas zuzutrauen, das ist ganz wichtig. Daran mangelt es bei vielen Frauen. Auch klar seine Meinung sagen und natürlich nicht nur Kritik anwenden. Bei uns zum Beispiel habe ich die Philosophie kennengelernt: Man kann kritisieren, muss aber auch Lösungsvorschläge bringen. Wenn man sich immer nur beschwert, wird man schnell als zickig abgestempelt. Aber sagt man gleichzeitig, dass man sich darüber Gedanken gemacht hat, wie das Problem gelöst werden kann, dann ist es meist eine willkommene Kritik.

Ein weiterer Rat ist, an sich selbst zu glauben, Stärken erkennen und seine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.

Natürlich ist es ab einem bestimmten Punkt, wenn es an die Familienplanung geht, immer schwierig. Es kann dann einen kleinen Karriereknick geben, wenn erst einmal die Kinder im Fokus stehen und man nicht so durchstarten kann, wie man es sich vorgestellt hat. Aber es geht dann eben mit kleinen Schritten weiter. Da muss man geduldig, hartnäckig und zielstrebig sein. Mit guter Organisation kann man das schaffen.

Manchmal sieht es wie ein Riesenberg an Aufgaben aus, den man kaum bewältigen kann, aber, wenn man gut organisiert und strukturiert ist, schafft man das.

 

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